Psoriasis und ihre Sonderformen

Prof. Dr. med. Dipl. Biol. Christof Schempp
Psoriasis vulgaris
Die Psoriasis ist – ähnlich wie die Neurodermitis – eine Volkskrankheit. Rund zwei Millionen Menschen in Deutschland leiden an der chronisch entzündlichen Hautkrankheit, weltweit sind es 125 Millionen. Eine genetische Prädisposition sowie bestimmte endogen und exogen auslösende Faktoren (wie z.B. Stress, Infekte und mechanische Hautreize) führen zu dem Krankheitsbild. An der Haut sieht man rote, erhabene, mit silberweißen Schuppen bedeckte Stellen, die durch innerliche und äußerliche Auslöser provoziert werden können. Neben den Nägeln können aber auch die Gelenke, Gefäße, Herz, Leber und der Stoffwechsel befallen sein. Ein großes Problem sind auch die psychosomatischen Beschwerden und die Einschränkung der Lebensqualität der Patienten. Schuppenflechte ist nicht ansteckend. Nachdem früher gelehrt wurde, dass die Schuppenflechte nicht juckt, stellt heutzutage der Juckreiz bei der Schuppenflechte immer häufiger ein Problem dar.
Mehr als die Hälfte aller Betroffenen erkrankt vor dem 40. Lebensjahr erstmals an Schuppenflechte (Typ1-Psoriasis). Der seltenere Spättyp (Typ2-Psoriasis) bricht erst im fünften bis sechsten Lebensjahrzehnt aus. Im Kindesalter ist die Schuppenflechte – im Vergleich zur Neurodermitis – recht selten. Die Krankheit verläuft in aller Regel chronisch oder in wiederkehrenden Schüben, wobei akute Phasen mit beschwerdefreien Intervallen wechseln können. Manche Patienten erfahren im Sommer und im Urlaub eine gute Besserung. Vor allem die Kombination von Baden im Salzwasser und Sonnenlichtbestrahlung wirkt sich günstig aus. Schweregrad und Ausdehnung der Schuppenflechte sind jedoch individuell sehr unterschiedlich. Eine endgültige Heilung ist bisher nicht möglich, es gibt aber inzwischen eine große Auswahl wirksamer Therapien
Ursachen
Genetische Veranlagung
Bei 30 bis 40 Prozent der Menschen mit Psoriasis sind auch engere Verwandte betroffen. Es kommt aber auch vor, dass kein Elternteil Psoriasis hat, das gemeinsame Kind jedoch trotzdem darunter leidet. Und umgekehrt: Beide Elternteile leiden unter Schuppenflechte, doch beim Kind bricht die Krankheit nie aus. Die Wahrscheinlichkeit der Vererbung liegt bei einem Kind mit nur einem betroffenen Elternteil bei etwa 10 Prozent. Leiden beide Eltern an Schuppenflechte, steigt dieses Risiko auf etwa 30 Prozent.
Auslösende Faktoren Folgende Auslöser können einen Schub provozieren:
- Infektionen (besonders durch Streptokokken, wie Mandelentzündungen im Kinder- und Jugendalter, Mittelohrentzündung, chronische Zahn-, Nasennebenhöhlen- oder Magen-Darminfektionen)
- Verletzungen (zum Beispiel durch Operationen), Tätowierungen, Sonnenbrand, heftiges Kratzen, anhaltende mechanische Hautreizungen (Gürtel, BH)
- Stoffwechselstörungen und Hormonschwankungen (beispielsweise während einer Schwangerschaft)
- Bestimmte Medikamente (zum Beispiel Betablocker, ACE-Hemmer, Lithiumsalze)
- äußerlich irritierende Stoffe und Allergene Seelischer Stress (etwa familiäre, soziale, berufliche Situation)
- übermäßiger Alkoholkonsum und Rauchen Übergewicht
Symptome
Glänzende, silbrig-weiße Schuppen bilden sich auf scharf begrenzten, stark durchbluteten und entzündlich geröteten Hautarealen. Betroffen sind vor allem die Streckseiten von Armen (zum Beispiel Ellbogen) und Beinen (zum Beispiel Schienbeinbereich), die Kopfhaut, aber auch Gesäß, Brust und Rücken, bisweilen auch Augenbrauen, Achselhöhlen, Bauchnabel oder Geschlechtsorgane beziehungsweise der Anus-Bereich (Gesäßfalte). Problematisch wegen der Sichtbarkeit sind Gesicht, Haaransatz und die Hände. Die Psoriasis vulgaris ist die häufigste Form der Schuppenflechte. Es gibt auch Formen mit bevorzugtem Befall der großen Falten wie Achseln, Leisten, Bauchnabel und -falten, Hand und Fußinnenflächen. Bei schweren Verläufen kann die gesamte Haut (Erythrodermie) befallen sein. Die Herde der Schuppenflechte können auch großflächig zusammenwachsen, ähnlich den Umrissen einer Landkarte (Psoriasis geographica). Oder die Herde ähneln – verteilt am ganzen Rumpf – in Ausdehnung und Größe Streichholzköpfen (Psoriasis punctata). Oft sind zusätzlich auch die Nägel betroffen. Es bilden sich kleine, runde Vertiefungen („Tüpfelnägel“) auf der Oberfläche des Nagels oder gelblich- bräunliche Verfärbungen („Ölflecke“) unter der Nagelplatte.
Sonderformen der Schuppenflechte
Psoriasis-Arthritis
Etwa jeder fünfte Patient mit Psoriasis hat auch eine Psoriasis-Arthritis. Hier leiden die Betroffenen zusätzlich unter Gelenk- beziehungsweise Sehenansatzbeschwerden als Symptom der Erkrankung. Es gibt vier verschiedene Gelenkbefallsformen, die ähnlich wie bei „Rheuma“ bis zur vollkommenen Verformung der Gelenke führen können. Meist kommt es zu Schwellungen der kleinen Gelenke der Zehen oder Finger („Wurstfinger“). Die Schwellungen sind schmerzhaft und behindern die Bewegung. Bei einer anderen Verlaufsform sind eher größere Gelenke, wie das Kniegelenk betroffen. Eine dritte Variante bevorzugt die Wirbelsäule und den Beckenbereich. Die entzündlichen Gelenkschwellungen bereiten lange nur relativ geringe Schmerzen, obwohl die Zerstörung der Gelenke vielleicht schon weit fortgeschritten und damit nicht mehr umkehrbar ist. Deshalb ist die Früherkennung und frühzeitige Behandlung wichtig, um irreversible Schäden zu verhindern.
Psoriasis pustulosa
Bei dieser Form treten eitrige, aber sterile Pusteln insbesondere an Fußsohlen und Handinnenflächen auf. Das Laufen sowie das Arbeiten mit den Händen kann deshalb für Betroffene sehr schmerzhaft sein. Im Extremfall kann auch der ganze Körper betroffen sein. Dann ist die gesamte Haut entzündlich gerötet und von Pusteln übersät. Zusätzlich kommen häufig Fieber, Abgeschlagenheit und ein schweres Krankheitsgefühl hinzu. Diese schwere Variante betrifft zum Glück weniger als fünf Prozent aller Psoriasis-Patienten.
Diagnosestellung
Der Arzt stellt die Diagnose in der Regel nach einer gründlichen Untersuchung der Haut und einer Probebiopsie. Um andere Krankheiten mit ähnlichen Symptomen auszuschließen (zum Beispiel Ekzeme, Pilzinfektionen, Syphilis), müssen ggf. Blutuntersuchungen und Abstriche vorgenommen werden. Sind die Gelenke betroffen, müssen mittels Bildgebungsverfahren (MRT, Nuklearszintigramm und/oder Röntgenaufnahmen) die entsprechenden Veränderungen nachgewiesen werden, um auch die Therapie richtig und rechtzeitig zu wählen. Hierbei ist die Zusammenarbeit mit einem Rheumazentrum oder Rheumatologen oft erforderlich.
Therapie
Die Therapie der Schuppenflechte zielt auf eine Linderung und das Abheilen der Symptome, eine Verkürzung der akuten Krankheitsphase und eine Vermeidung neuer Schübe. Hierfür stehen eine ganze Reihe von Möglichkeiten zur Verfügung, die von pflegenden Salben bis zu starken, das Immunsystem hemmenden (immunsuppressiven) Medikamenten reichen. Die Therapien sollen leitliniengerecht, aber immer auf den individuellen Erkrankungszustand des Patienten abgestimmt, miteinander kombiniert werden. Ein Wechsel der Therapie-Form nach gewisser Zeit kann hilfreich sein, auch um das Risiko von Langzeit-Nebenwirkungen zu minimieren.
Äußerliche Behandlung
Die meisten äußerlich wirkenden Medikamente werden in Form von Cremes, Salben und Lotionen aufgetragen. Darüber hinaus stehen Badezusätze und Shampoos zur Verfügung. Um die Schuppen abzulösen, kommen Bäder und Salbenverbände mit Wirkstoffen wie Salicylsäure (Vorsicht bei Kindern), Harnstoff oder Milchsäure zum Einsatz. Der zeitliche Aufwand einer äußerlichen Behandlung beträgt pro Tag je nach Ausdehnung der Hautveränderungen zwischen zehn und 45 Minuten. Das Cignolin oder auch Dithranol ist ein Wirkstoff, der ursprünglich aus der Rinde des tropischen Baumes Andira araroba gewonnen wurde. Cignolin hemmt das übermäßige Zellwachstum und Entzündungsvorgänge. Häufige Nebenwirkungen der Behandlung mit Dithranol sind Hautirritationen und Verfärbungen, auch der Bettwäsche und der Kleidung. Von Vitamin D abgeleitete Wirkstoffe wie Calcipotriol, Tacalcitol und Calcitriol wirken ebenfalls entzündungshemmend und sind eine Standardtherapie, die allein einsetzbar und gut mit selektiver Phototherapie kombinierbar ist. Häufig werden Vitamin D-Präparate mit Cortisonsalben kombiniert. Dies ist zu Beginn der Behandlung hilfreich, aber bei einer Langzeitanwendung von Cortison ist Vorsicht geboten: Es führt dazu, dass die Haut an den behandelten Stellen dünner und infektionsanfälliger wird.
Innerliche Behandlung
Immunsuppressiva
Bei schweren Verlaufsformen oder wenn die äußerliche Anwendung nicht erfolgreich ist, werden innerlich anzuwendende Arzneimittel verabreicht. Klassische Arzneimittel für die Psoriasis sind die immunsuppressiven Medikamente wie Methotrexat, Ciclosporin A oder Fumarsäureester. Bei den pustulösen Varianten werden Vitamin-A-Abkömmlingen (Retinoide) gegeben. Ein erst vor 2 Jahren zugelassener neuer Wirkstoff ist das Apremilast, ein in Tablettenform einzunehmender Hemmstoff der Phosphodiesterase-Inhibitor.
Biologika
Biologika sind gentechnisch hergestellte Wirkstoffe, die bestimmten körpereigenen Substanzen (Antikörpern) ähneln. Die Wirkstoffe richten sich gegen Entzündungsstoffe wie TNF-alpha, Interleukin-17 oder Interleukin-23. Die Biologika werden unter die Haut gespritzt oder als Infusion verabreicht. Da die Kosten der Biologika sehr hoch sind, dürfen sie nur eingesetzt werden, wenn die klassischen Medikamente nicht gewirkt haben oder wegen Nebenwirkungen nicht in Frage kommen.
Die Biologika sind bei Psoriasis sehr gut wirksam und haben im Vergleich zu den klassischen Medikamenten nur sehr wenig Nebenwirkungen. Die Langzeitrisiken der Biologika sind noch nicht absehbar. Bei den TNF-alpha-Inhibitoren, die schon am längsten zugelassen sind, scheint das Risiko für die Entstehung von Lymphomen (Blutkrebs) zu steigen.
Photo- und Klima-Therapien
Sonnenlicht oder die Bestrahlung mit künstlichem UVB-Licht lindert bei vielen Psoriasispatienten die Beschwerden. Therapeutisch werden in manchen Kliniken und Praxen Bäder mit einem Salz-Gehalt (Sole-Gehalt) von 15-30 Prozent mit einer kontinuierlichen UV-Bestrahlung kombiniert. Der hohe Salzgehalt des Wassers löst die Schuppen und die ultraviolette Strahlung bewirkt eine Normalisierung der Zellteilung. Betroffene reisen auch häufig zum Beispiel ans Tote Meer, wo die entsprechenden Bedingungen dafür von Natur aus gegeben sind. Bei der oralen Photochemo-Therapie (orale PUVA-Behandlung) und der Bade-PUVA-Therapie wird durch einen in der Natur vorkommenden Wirkstoff, das Psoralen, die Haut lichtempfindlicher gemacht.
Alternative Methoden
Auch verschiedene alternative Methoden (zum Beispiel traditionelle chinesische Medizin, Homöopathie, Silymarin-Präparate) kommen bei der Schuppenflechte zum Einsatz, ihre Wirkung ist jedoch größtenteils nicht belegt.
Die Psyche
Psoriatiker leiden häufig nicht nur unter den Krankheitssymptomen oder den Nebenwirkungen der Medikamente. Für viele ist die empfundene Stigmatisierung die schwerwiegendste Krankheitsfolge. Betroffene geraten oft in einen Teufelskreis: Sie fühlen sich durch die Krankheit entstellt, ihr Selbstwertgefühl ist gestört – der dadurch ausgelöste Stress verschlimmert die Hauterscheinungen, worauf viele Patienten mit Depressionen, sozialer Isolation oder Alkoholmissbrauch reagieren; auch sexuelle Probleme in der Partnerschaft sind bei Psoriatikern häufig. Insbesondere junge Menschen mit Psoriasis befürchten bei den ersten Hautveränderungen, von ihren Freunden und Bekannten plötzlich wie Aussätzige behandelt zu werden – obwohl die Erkrankung definitiv nicht ansteckend ist. Entscheidend ist dabei oft, ob „sensible Regionen“ wie das Gesicht oder der Genitalbereich betroffen sind. Auch anhaltender Juckreiz kann ein erhebliches Problem sein. Die Erfahrung vieler Ärzte spricht dafür, dass hier Methoden wie Psychoanalyse, Verhaltenstherapie oder Entspannungsmethoden hilfreich sein können. Die bessere seelische Ausgeglichenheit kann auch dazu beitragen, die Hauterscheinungen zu verringern. Auch der Erfahrungsaustausch mit anderen Betroffenen – etwa in Selbsthilfegruppen – kann das Leiden lindern.
Gesunde Lebensführung
Wer sich gesund ernährt, nicht raucht, nur maßvoll Alkohol konsumiert und bei Normalgewicht seine Fitness nicht vernachlässigt, der stärkt Körper und Seele, hat ein robusteres Immunsystem und gilt als weniger anfällig für Psoriasis-Schübe. So zeigen wissenschaftliche Studien: Psoriasis ist bei Rauchern im Durchschnitt schwerer ausgeprägt als bei Nichtrauchern. Menschen, die täglich 15 Zigaretten oder mehr rauchen, haben gegenüber dem Bevölkerungsdurchschnitt ein dreimal so hohes Risiko, eine Psoriasis zu entwickeln. Ebenso gilt, dass bei männlichen Patienten mit Psoriasis ein überdurchschnittlich hoher Alkoholkonsum auffällt. Bei Vorliegen von Übergewicht bei Schuppenflechte führt eine Gewichtsreduktion oft zu einer Verbesserung des Krankheitsbildes.